Gepiden

Die Wanderung der Gepiden

Der Niedergang der Gepiden im 6. Jahrhundert

Der Verlust Sirmiums und des umliegenden Gebietes war nicht das einzige Verhängnis zu Beginn des 6. Jahrhunderts für die Gepiden. Die Langobarden besiegten die im Nordwesten des Karpatenbeckens ansässigen Eruler 508.54 Ein Teil der Eruler ließ sich im gepidischen Machtbereich nieder; wo genau ist allerdings nicht gesichert festzustellen.55 Die Expansion der Langobarden fand jedoch im ehemaligen Gebiet der Eruler kein Ende. „Die Langobarden besetzten nicht nur das Kerngebiet ihrer alten Herren beiderseits der March, sondern schoben sich auch als Oberschicht der provinzialen
und suebischen Bauern ins nördliche Pannonien vor“.56
Neben der langobardischen Gefahr im Karpatenraum mobilisierte ebenfalls das Oströmische Reich seine Kräfte. Unter Justin I. und Justinian wurde das Imperium an der Donau wieder zu einer nicht zu unterschätzenden militärischen Kraft.
Das Zusammenwirken der langobardischen Expansion und die Wiederbelebung oströmischer Kraft stellten für einen überschaubaren Zeitraum noch einmal Versuche für ein letztes Aufbäumen der Gepiden dar:
„Die „faulen“ Gepiden begannen sich neuerdings zu regen. Die Wiedergewinnung Sirmiums 536 nach einem vergeblichen Versuch von 530, der Raubzug nach Illyrien 530, die Allianz mit Franken und Langobarden um 539 und ein erneuter Vorstoß auf Reichsgebiet, bei dem der Heermeister Calluc geschlagen wurde96, sind Ausdruck dieser verstärkten Expansionstendenz“. 57
Aus dem Osten rückte eine weitere Gefahr entgegen, das Reitervolk der Awaren.
Die Awaren mussten sich, bevor sie in Erwägung ziehen konnten in gepidisches Hoheitsgebiet einzufallen, zunächst der Neutralität der Römer gewiss sein. Diese waren immer noch Verbündete der Gepiden. Justin musste erwägen, ob er zusammen mit den Gepiden gegen die Langobarden und Awaren vorgeht, oder es zulässt, dass sich, nach einer möglichen Niederkämpfung dieser Verbündeten, zukünftig mit den Gepiden ein fest gefügter Nachbar mit eventuell gesteigerten Forderungen an der Grenze Ostroms niederlässt.58 Justin entschied sich wohl für die erste Variante und leistete seinem ehemaligen Bündnispartner keine Unterstützung. Mit den Langobardenkriegen ist schließlich das Ende des gepidischen Reiches zumindest als politische Organisation, gefunden. Während es im ersten Langobardenkrieg von 547 bis 552 noch zu einer Niederlage und einem Vergleich der rivalisierenden Gruppen kam, bedeutete das Jahr 567 für die Gepiden - wie Pohl meint - die „Katastrophe“.59 Die Awaren fielen gemeinsam mit den Langobarden in der Gebidei ein und unterjochten, ähnlich wie die Hunnen im 5. Jahrhundert, das gepidische Volk (Abbildung 9).
Mit anderen bäuerlichen Stammesresten, wie den Sueben, Erulern oder Sarmaten, gingen in den folgenden Jahren auch die Gepiden in der langobardischen Ethnogenese auf.
Ein Teil der Gepiden zog mit den Langobarden nach Italien und behielt wohl auch noch über Jahrhunderte seine Tradition; dies lässt sich aufgrund von Dörfern im italischen Raum nachweisen. Eine andere, kleinere Gruppe, darunter auch wohl Thrasarich und der Gepidenprinz Reptila, flohen 567 mit dem Königsschatz nach Konstantinopel.
Der größte Teil lebte aber wohl unter awarischer Herrschaft weiter und blieb auch noch eine längere Zeit unter dem Namen Gepiden bekannt; diese hatten jedoch, wie anzunehmen ist, keine politische Macht mehr. Ihnen kamen wohl Pflichten, denen sie nachzukommen hatten, und Rechte, die sie in Anspruch nehmen konnten, beiderseits zu. Während sie an awarischen Kriegszügen teilzunehmen hatten, durften sie wohl ihre eigene Tradition mit in die neue Ethnogenese übernehmen.60
Mit der Zersplitterung der Gebidei in der zweiten Hälfte des 6. nachchristlichen Jahr-hunderts endet die Geschichte eines ehemals gotischen Stammes, der sich zu Beginn unserer Zeitrechnung aus Südschweden löste, um später über Jahrhunderte an der Weichsel und später im Karpatenbecken eine Heimat zu finden. Dieses Vorhaben ist nur bedingt geglückt, und die Gepiden mussten mit Awaren und Langobarden schließlich die Herrschaft anderer Volksstämme akzeptieren und sich deren Macht unterordnen.

54Ders., S.297. S.R.: Bei Sevin wird die Jahreszahl 507 angegeben (Sevin, S. 132).
55Pohl stellt als Möglichkeit das „stark romanisierte[n] Oltenien“(S.297) in Aussicht.
56Pohl., 298. Pohl sieht in der 54westlichen Öffnung der Gepiden zu Beginn des 6. Jahrhunderts eine deut- liche kulturelle Ausrichtung nach Mittel- und Westeuropa.
57Ebd., S.299. Die in dem Zitat aufgeführten Fußnoten wurden an dieser Stelle nicht weiter aufgeführt.
58Sevin, S.168 f.
59Pohl, S.299. Zu den genauen Verhältnismäßigkeiten im 1. Langobardenkrieg vgl. z.B. Diculescu S.146 ff.
60Pohl, S.300.
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