Gepiden

Die Wanderung der Gepiden

Geschichte der Gepiden

Phase 1: Die frühen Perioden

Es spricht einiges dafür, dass die Gepiden Stammverwandte der Goten waren und wahrscheinlich sogar von diesem Geschlecht abstammten.13 Nicht nur die Berichte des Geschichtsschreibers Jordanes, sondern auch das untersuchte Sprachmaterial der Gepiden und Goten weisen auf ihre Verwandtschaft hin:
„Es sind nämlich bei den Gepiden, wie bei allen Ostgermanen, schwache maskuline Nominative auf –a bezeugt, z.B. Gepida, Fastida, Thrafstila, Reptila, Wila; ebenso wie bei den Goten: Ovida, Athala, Ulfila, Senila usw.;…“14
Jordanes berichtet zwar, dass das Stammland der Goten Skandinavien war, erwähnt allerdings keine Gründe für den Auszug aus "Skandja".15 Wenn die Goten nun ursprünglich in Skandinavien beheimat waren und dazu mit den Gepiden im Verwandt-
schaftsverhältnis standen, stellt sich die Frage nach dem gesellschaftlichen Status letzte-
rer. Entweder waren die Gepiden bereits in Skandinavien eine mehr oder weniger abhängige Volksgruppe unter den Goten gewesen und haben sich erst allmählich in Gotiskandja im 1. und 2. Jahrhundert von den Goten gelöst, oder es lag eine Verbindung bzw. ein anderes Abhängigkeitsverhältnis vor (Abbildung 1).
Jordanes führte in seiner Getica aus, dass die Gepiden, ehe sie nach Süden in Richtung Karpatenbecken zogen, an der Ostsee gegenüber von Skandinavien ansässig waren.
Die Goten sollen diese Gegend an der Weichsel Gepidojos, was soviel heißt wie "die Inseln der Gepiden", genannt haben.16
Da die Gepiden nach dem Abzug aus dem Stammlande zuerst mit den Burgunden zusammenstießen und letztere in dieser Zeit zwischen mittlerer Oder und Weichsel ansässig waren, folgert Diculescu daraus, dass „die Angabe des Jordanes über die früheren Sitze der Gepiden in der Gegend um die Weichselmündung den Wert einer zeitgenössischen Aufzeichnung [hat]“.17 Diculescu verwertet die Ausführungen Jordanes und die Ergebnisse der Siedlungsarchäologie und entwickelt daraus eine Karte, die das Gepidenland in seinen ungefähren Grenzen um 166 n. Chr. abbildet (Abbildung 2).18
Die bereits erwähnte Sage, wonach die Goten in drei Schiffen in Gotiskandja einzogen, deutet daraufhin, dass es zwar zu einem gemeinsamen Auszug aus Skandinavien kam, jedoch eine deutliche Trennung von Gepiden und Goten vorzuliegen schien.19
Für Sevin macht ein in Südschweden zurückgebliebener Volksrest deutlich, dass die Gepiden schon vor dem Auszug aus Skandja einen Sonderstatus einnahmen.20
Sowohl die griechischen als auch die römischen Quellen berichteten im 1. und 2. nachchristlichen Jahrhundert nichts über die Gepiden und erwähnten nur die Goten um das Gebiet der Weichselmündung.21
Da die Goten immer wieder von Tacitus, Plinius und anderen Geschichtsschreibern erwähnt wurden, geht Diculescu davon aus, dass die gotischen Stämme der Gepiden, Ostro- und Wisigoten, über einen nicht näher bestimmbaren Zeitraum im 1. und 2. Jahrhundert unserer Zeitrechnung eine politische Einheit bildeten.
Ein Umschwung muss sich Ende des 2. bzw. Mitte des 3. Jahrhunderts vollzogen haben. Im nachfolgenden Abschnitt wird auf diese geschichtliche Veränderung, bei dem die Hunnen eine bedeutende Rolle spielen, näher eingegangen.

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13Diculescu, S.3.
14Ebd. S.3.
15Sevin, S. 10 f.
Für Sevin deutet einiges daraufhin, dass Überbevölkerung ein Grund für den Auszug gewesen sein muss. „Die große Zahl (74) der in Skandja lebenden Völker läßt vermuten, daß die Bevölkerungsdichte der meerumschlossenen Halbinsel ständig in der Nähe des Sättigungszustandes schwebte und der Überschuß periodisch abgestoßen werden mußte“(Sevin, 11). Die Überbevölkerung wäre hier ein klarer Push-Faktor. Die Menschen in Skandja wurden aus ihrer Region durch Platzmangel geradezu herausgepresst. Weiterhin kann aus dem Faktor Überbevölkerung geschlossen werden, dass wohl nicht die gesamte Volksmasse ausgezogen ist. Für diejenigen Gepiden, die nach dem Auszug wieder genug Lebensraum in Skandja vorfanden, lag wohl zunächst kein Grund vor, ihre Heimat zu verlassen. Sevin gibt in einer weiteren Beschreibung als Auswanderungsfaktor "Tradition" an. Andere Völker seien schon Jahrhunderte vorher aus dem Norden in den Süden gezo- gen, um sich von der Enge des Inseldaseins zu befreien.
16So man der Quelle des Jordanes glauben kann, muss es sich demnach um ein abgetrenntes Gebiet oder einen separaten Abschnitt innerhalb des gotischen Gebiets gehandelt haben. Archäologische Hinweise führt die ausgewählte Sekundärliteratur nicht an.
17Diculescu, S.13.
Diculescu geht davon aus, dass Jordanes den Sitz der Gepiden zu sehr einschränkt und stützt seine Überlegungen auf die Siedlungsarchäologie. Die „sogenannte Skelettgräberkultur des Weichsel- Nogatdeltas um Beginn des 2. nachchristlichen Jahrhunderts ist westwärts gegen das Rugiergebiet bis in die Kreise Stolp, Lauenburg, Flatow und südwärts bis zur Netze zu verfolgen“ (Diculescu, S.15).
S.R.: Die Monographie von Diculescu stammt aus dem Jahr 1922. Sowohl in der Monographie von Sevin als auch in dem Aufsatz von Pohl lassen sich bezüglich des Gebiets der Gepiden in dieser Zeit keine neuen Informationen finden.
18Vgl. Gliederungspunkt „6. Abbildungen“.
19Schließlich fuhren die Gepiden im letzten Schiff. Es gab also keine Vermischung laut der Sage. Eine solche Sage transportiert natürlich eine Botschaft, die in diesem Fall darauf anspielt, dass die Gepiden als Letzte die Übersiedlung vielleicht verschlafen haben. Glaubt man der Sage, lag also bereits eine Trennung von Goten und Gepiden vor. Es muss allerdings bezüglich der Goten differenziert werden, da neben dem Gepiden-Schiff zwei weitere Schiffe erwähnt werden. Vielleicht lag eine Trennung von Ostro- und Wisigoten auch schon vor.
20Sevin, S.13.
21Diculescu, S.17.
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